Kategorien
Tatort Henstedt-Ulzburg

Gerechtigkeit für die Betroffenen der Auto-Attacke von Henstedt-Ulzburg!

Gestern, heute, morgen – Solidarität mit allen Betroffenen rechter und rassistischer Gewalt!

Der Prozess gegen den Täter der rechten und rassistischen Auto-Attacke von Henstedt-Ulzburg, der seit Anfang Juli vorm Landgericht in Kiel verhandelt wird, geht dem Ende entgegen. Wir rufen deshalb alle Antifaschist*innen dazu auf, die Mobilisierung in Solidarität mit den Betroffenen des Angriffs in den kommenden Wochen aufrecht zu erhalten und auch die verbleibenden Prozesstage bei den Plädoyers und schließlich dem Urteil an ihrer Seite zu begleiten.

Wir wollen zum Prozessende noch einmal das bekräftigen, was wir in den zurückliegenden Monaten immer wieder stark gemacht haben und was auch die ausführliche Beweisaufnahme im fortgeschrittenen Prozess bestätigt hat: Was sich am 17. Oktober 2020 vor dem Bürgerhaus Henstedt-Ulzburg am Rande einer Veranstaltung der faschistischen „Alternative für Deutschland“ (AfD) ereignete, war kein Unfall. Der Täter Melvin Sch. und seine drei Begleiter waren – angetrieben von Rassismus, Hass auf Linke und ihrer Verbundenheit zur AfD – nicht zufällig vor Ort, sondern gekommen, um die antifaschistische Gegenkundgebung zu provozieren und zu stören. Die anschließende Amokfahrt mit dem tonnenschweren Pick Up, bei der sie vier Antifaschist*innen teils schwer verletzten, war der folgenschwere Höhepunkt ihres Ausflugs. Sch. persönlich hat im Prozess bestätigt, zum Tatzeitpunkt Mitglied der AfD gewesen zu sein und die Partei nur auf Anraten des Parteifunktionärs Julian Flak verlassen zu haben, um Schaden von ihr abzuwenden. Dies haben Flak und Sch. in einem Telefonat nach der Tat entsprechend besprochen. Einen Tag nach der Tat gab es zudem ein Nachbereitungstreffen am Küchentisch von Flak, an dem Sch.s Beifahrer Julian R beteiligt war. Dieser offenbarte vor Gericht eine gefestigte rechte Gesinnung bis zum heutigen Tage. Er kann am Tattag gemeinsam mit Sch. als federführend angesehen werden.

Am Tatort Henstedt-Ulzburg hat sich vor drei Jahren deutlich gezeigt, was bei so vielen rechten und rassistischen Gewalttaten der letzten Jahre in der BRD offensichtlich geworden ist: Die AfD ist stets Mittäterin. Sie ist Stichwortgeberin, genauso, wie sie personell eng verstrickt mit denen ist, die schlussendlich zur Tat schreiten. Die AfD ist die wichtigste politische Heimat des gegenwärtigen rechten und rassistischen Terrors in der BRD. Unsere Solidarität mit den Betroffenen heißt deshalb auch, die AfD, den fortschreitenden gesellschaftlichen Rechtsruck und den erstarkenden Faschismus die Stirn zu bieten. Auch diese notwendige Schlussfolgerung haben wir in den zurückliegenden Monaten immer wieder deutlich gemacht und auch praktisch unterfüttert, nicht zuletzt, indem wir gegen die weiter andauernde Nutzung des Bürgerhaus in Henstedt-Ulzburg u.a. für ihre Landesparteitage auf der Straße vorgehen.

Dieser unserer Solidaritätsarbeit übergeordnete Kampf ist in den Monaten, in denen wir vorm und im Gericht den Prozess an der Seite der Betroffenen begleitet haben, leider nicht unwesentlicher geworden. Die AfD hat auf allen Ebenen an Stärke gewonnen. Sie ist mancherorts bereits zur stärksten politischen Kraft aufgestiegen und die Distanz des bürgerlichen Mainstreams zu den Faschist*innen schwindet Woche für Woche. Dies zeigt sich nicht nur an der zunehmenden offenen Zusammenarbeit der etablierten Parteien, noch insbesondere der Merz-CDU und der FDP, mit der AfD, sondern vor allem in der nochmaligen rechten Diskursverschiebeung seit etwa Sommer diesen Jahres. Mittlerweile sind sich auch sämtliche Grüne sicher, dass Flucht und Migration militärisch und repressiv bekämpft werden müssen und stimmen in die Forderung fast aller Parteien nach strikten und massenhaften Abschiebungen mit ein. Als Teil der Ampelkoalition haben sie beschlossen, das Asylrecht mit dem europäischen GEAS-Abkommen ein weiteres mal abschaffen. Selbsternannte Liberale diskutieren derweil offen den Entzug von Bürgerrechten wie Meinungs- und Diskussionsfreiheit für Migrant*innen und Geflüchtete und die mediale Hetze überschlägt sich tagtäglich. Die AfD und ihre Pendants in ganz Europa haben ihre Kernforderungen dadurch auch dort bereits umgesetzt, wo sie noch nicht an die Macht gelangt sind. Diese rasanten Entwicklungen sprechen für arbeitsintensive Jahre und große Herausforderungen, die uns als Antifaschist*innen künftig bevorstehen.

Dass antifaschistische Arbeit aber auch erfolgreich sein kann, haben wir alle, die sich nach der Auto-Attacke von Henstedt-Ulzburg vor drei Jahren vorgenommen haben, die Täter nicht davonkommen zu lassen, unter Beweis gestellt. Die Energie, die wir gemeinsam in die Aufklärung und Aufarbeitung des Tatort HU-Komplex gesteckt haben, hat sich schon jetzt ausgezahlt. Dies gilt für die Antifa-Recherche, die Melvin Sch. als rechten Gesinnungstäter outete, für die intensive Medienarbeit, für den Mut der Betroffenen, als Nebenkläger*innen im Prozess aufzutreten, für den juristischen Widerstand der solidarischen Anwält*innen, für die akribische Dokumentation des Prozesses, für diejenigen, die draußen vor dem Gerichtsgebäude immer wieder bei den stundenlangen Kundgebungen die Fahne der Solidarität hochgehalten bis hin zu allen, die das alles auf ihre Art unterstützt haben. Niemand wagt es heute mehr, wie noch vor drei Jahren unmittelbar nach der Tat, das Geschehene als Autounfall zu bagatellisieren. Der Täter musste erfahren, dass er sich ohne Zweifel mit den Falschen angelegt hat. Er wird nie wieder aus der Anonymität heraus Menschenjagden veranstalten können. Schlussendlich wurde das Gericht dazu gezwungen, die offen gelegten politischen Hintergründe ernst zu nehmen und weiter zu verfolgen. Wenn das Urteil gesprochen wird, geht es uns um kein bestimmtes Strafmaß. Es geht uns um nicht mehr und nicht weniger als die Anerkennung der Amokfahrt als bewussten rechten und rassistischen Gewaltakt – in der Öffentlichkeit und auch vor Gericht. Dass wir dieses Ziel nun durchaus erreichen können, ist nicht von allein passiert. All dies haben wir gemeinsam gerissen. Dafür danken wir allen Beteiligten.

Lasst uns auf den gemachten Erfahrungen aufbauen und nicht nachlassen. Lasst uns weiter den Finger in die Wunde legen und das nicht nur, bis mutmaßlich Anfang Dezember das Urteil gesprochen ist. Lasst uns unsere Kräfte auch in den letzten Prozesswochen nochmals bündeln und zur Urteilsverkündung ein weiteres starkes Signal der antifaschistischen Solidarität aussenden – an alle, die von den rechten und rassistischen Zuständen betroffen sind, aber auch an die, die dafür verantwortlich sind. Kein Gerichtsurteil und kein Hoffen auf den bürgerlichen Staat wird diese praktische Solidarität und unseren alltäglichen antifaschistischen Kampf ersetzen können. Vergessen wir dies auch nach dem Ende des Prozesses nicht.

Solidarity forever!

Kampf den rechten und rassistischen Tätern – Kampf der AfD – Kampf dem Faschismus auf allen Ebenen!

Bündnis Tatort Henstedt-Ulzburg, November 2023