Am zwölften Prozesstag der rechten und rassistischen Auto-Attacke vom 17. Oktober 2020 in Henstedt-Ulzburg war Finn P., der Freund des Angeklagten Melvin S., als Zeuge geladen.
In seiner Schilderung des Tattages widerspricht er vorangegangenen Zeugenaussagen. Während Julian R., der Mitfahrer von Melvin S., in seiner Zeugenaussage noch ausführlich beschrieb, dass Melvin S. den PKW nur in die Gruppe Gegendemonstrant*innen lenkte, weil P. von einer Gruppe angegriffen worden sei, beschreibt P. selbst den Vorfall anders. Melvin S. sei bereits mit seinem Auto auf dem Bürgersteig gewesen, als ihn mutmaßlich der erste Schlag aus einer Personengruppe traf. Auch auf Nachfrage der Verteidigung von Melvin S. betont P., dass zwar eine Person aus der Gruppe heraustrat, der Rest aber zurückgeblieben sei.
Er selbst habe auf dem Rückweg von der Kundgebung gar nichts von einer vermeintlichen Verfolgung mitbekommen. Vielmehr sieht P. sich als Opfer eines ungerechten „Nazi- Vorwurfs“. Er habe sich nichts dabei gedacht den „Scheiss-Londsdale Pulli“ getragen zu haben und könne sich nicht erklären, warum sie von der Gegenveranstaltung verwiesen wurden. Erst auf Nachfrage gibt P. zu, dass er von seinen Begleitern Fotos mit einer „Reichsbrause“ zugeschickt bekommen habe, bevor er sich auf den Weg zur Kundgebung machte. Die Situation verharmloste er als „Witz“, entsprechend wollte er sich an Details zu den rechten Stickern, die von ihnen verklebt wurden, nicht erinnern.
Der Anwalt der Nebenklagevertretung Alexander Hoffmann betonte am Ende der Verhandlung der Prozesstag zeige deutlich die Widersprüchlichkeit der Zeugenaussagen auf. Die Behauptung, P. sei umringt worden und zu Boden gegangen habe sich heute nicht bestätigt. Vielmehr stehe die heutige Aussage in deutlichem Gegensatz zu dem Sachverhalt, den Julian R. noch vor Gericht behauptete. Auch dass die Angreifer nach dem Schlag plötzlich verschwunden seien, ergebe im Zusammenhang des Geschehens keinen Sinn.
„Die Tat war definitiv keine Notwehr“, fasst Sonja Petersen vom Bündnis Tatort Henstedt-Ulzburg den Tag zusammen. „Das angebliche Opfer hat heute in seiner Darstellung deutlich gemacht, dass zu keinem Zeitpunkt eine ernsthaft bedrohliche Situation stattfand, die eine solche Reaktion von Melvin S. rechtfertigen würde. Heute wurde erneut deutlich, dass die Auto-Attacke von Henstedt-Ulzburg ein rechter und rassistischer Anschlag war.“
Der Prozess wird am 05.10.2023 am Landgericht in Kiel fortgesetzt.
Bündnis Tatort Henstedt-Ulzburg