Am sechsten Prozesstag zur rechten und rassistischen Auto-Attacke vom 17. Oktober 2020 in Henstedt-Ulzburg sagte heute die dritte Betroffene aus. Angeklagt ist der Fahrer und damaliges AfD-Mitglied Melvin S. wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr.
Die Betroffene und Nebenklägerin O. beschrieb wie das silberne Auto auf den Bürgersteig gelenkt wurde und auf sie zusteuerte. Dann ist sie auf den Grünstreifen gerannt. Der Täter hätte an ihr vorbei fahren können, aber er traf sie gezielt:
„Ich bin nicht einfach umgefahren worden, ich bin weggerannt und umgefahren worden, ich wollte weg, ich konnte aber nicht weg.“
O. erklärte, dass ihr wichtig ist, dass auch im Prozess erkannt wird, dass die Tat „keine Notwehr war, dass es keine Abwehr war, dass es ein rechter, rassistischer Anschlag war“. Sie sei bewusst als Schwarze Frau getroffen worden:
„Ich wusste, die AfD war da. Ich weiß, was die AfD über Menschen mit Migrationshintergrund denkt, ich weiß, was sie über Frauen denkt“.
Am schlimmsten sei das Verhalten des Täters, der in seiner Einlassung am ersten Prozesstag so tat, als existiere sie nicht: „Ich habe mit allem gerechnet, aber nicht damit, dass ich nicht vorkomme.“ Damit versucht der Täter die Betroffene als Schwarze Frau unsichtbar zu machen und die rassistische Dimension der Tat auszublenden.
O. schilderte, dass sie unmittelbar nachdem der Täter sie mit dem Auto traf, nicht mehr atmen konnte: „Wie wenn man sich verschluckt. Ich kann nicht atmen und erstick jetzt“. Nach dem Angriff hatte sie wochenlang körperliche Schmerzen, musste medizinisch behandelt werden und war auf Hilfe von anderen angewiesen. Sie konnte nicht mehr allein sein und hatte Angst, dass der Täter sie weiter verfolgt. Durch die Folgen des Anschlags verzögert sich ihr geplantes Studium bis heute. Auch die psyschische Nachwirkungen halten an:
„Ich habe das Gefühl, das ist so eine wahnsinnige Schwere. Das Gefühl, dass ich nicht atmen kann, ich habe keine Kraft. Hab das Gefühl, dass ich einfach warten muss, einfach aushalten und dann ist es irgendwann vorbei.“
Sonja Petersen stellt für das Bündnis Tatort Henstedt-Ulzburg fest:
„Die Betroffene machte in ihrer heutigen Aussage deutlich, dass die Auto-Attacke auch ein rassistisches Motiv hat, da sie als Schwarze Frau gezielt überfahren wurde. In der starken und emotional-bewegenden Aussage der Betroffenen wurde zudem deutlich, dass die Tat mit ihren physischen und psychischen Folgen als rassistische Tat weiter wirkt.“
„Es ist uns wichtig, solidarisch an der Seite der Betroffenen zu stehen und sie insbesondere bei ihren Aussagen nicht allein zu lassen. Wir rufen ausdrücklich dazu auf, zu unseren nächsten Kundgebungen vor dem Gericht zu kommen.“, so Hauke Sörensen.
Bündnis Tatort Henstedt-Ulzburg